Primus GruppeAufbruchstimmung für PRIMUS im Ruhrgebiet oder NRW? Die bildungspolitischen Forderungen des NRW-Bündnisses „Eine Schule für alle“ zum Ausbau der PRIMUS-Schule in NRW finden große Zustimmung bei Bildungsexpert:innen im Ruhrgebiet und ermutigen Initiativen, sich für PRIMUS als inklusive Schule von 1-10 in ihrer Kommune stark zu machen. 

Das gemeinsame durchgängige Lernen von Klasse 1 bis 10 durch den Zusammenschluss von Primarstufe und Sekundarstufe zu einer Schule ohne äußere Leistungsdifferenzierung ist derzeit nur an der staatlichen Versuchsschule, der Laborschule Bielefeld, sowie im Schulversuch möglich, der 2013 bzw. 2014 an fünf Standorten in NRW (Minden, Münster, Schalksmühle, Viersen und Titz) eingerichtet worden ist. Das NRW-Bündnis „Eine Schule für alle“ unterstützt den Schulversuch von Anfang an. 

Am 9. März hat das Bündnis auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit der „Menschenstadt Essen“ seine Forderungen zur „Zukunft der PRIMUS-Schule“ im Haus der Evangelischen Kirche Essen öffentlich gemacht. An der Diskussion beteiligten sich u.a. Vertreter:innen der PRIMUS-Schule in Münster sowie Schulleiter:innen, Beigeordnete für Bildung, Schulamtsvertreter:innen, Politiker:innen und Initiativen für PRIMUS-Schulen aus der Region. 

Forderungen 

Das NRW-Bündnis „Eine Schule für alle“ fordert parallel zur rechtlichen Überführung des PRIMUS-Schulversuchs in das Regelschulsystem wirksame Öffentlichkeitsarbeit zu den wissenschaftlichen Ergebnissen und Erfolgen des Schulversuchs von der Landesregierung. Das schließt die gezielte Unterrichtung der kommunalen Schulträger, der Lehrer- und Elternverbände über die Vorzüge der PRIMUS-Schule ein. Unter Beteiligung der Kommunen soll ein Landes-Förderprogramms für den Ausbau von PRIMUS-Schulen auch unter Nutzung des Startchancenprogramms aufgelegt werden. Kommunale Schulträger sind aufgefordert, Schulen zu ermutigen und zu unterstützen, die den Ausbau zur PRIMUS-Schule wollen. 

Mit seinen Forderungen will das Bündnis erreichen, dass bildungspolitische Akteure auf kommunaler Ebene sowie Vertreter:innen der Lehrer-, Eltern- und Schülerschaft auf der Basis fundierter Informationen ermöglicht wird, sich mit dem PRIMUS-Reformmodell auseinanderzusetzen und seine Errichtung im Rahmen einer partizipativen und transparenten Schulentwicklungsplanung vor Ort einzufordern.

Kritik am Regierungshandeln

Die Wissenschaftliche Begleitung zum Schulversuch PRIMUS hat sich in ihren bisherigen Berichten eindeutig für eine Absicherung und Fortführung des Reformmodells ausgesprochen. Der Abschlussbericht wird Ende des Jahres vorliegen. 

Das NRW-Bündnis kritisiert, dass seit der Implementation des Schulversuchs 2013 die wechselnden Landesregierungen nichts getan haben, um das innovative Schulmodell mit seiner Zielsetzung und seinen Erfolgen öffentlich bekannt zu machen. Selbst unter Bildungsexpert:innen ist das Projekt erstaunlich unbekannt. Dabei hat die Wissenschaftliche Begleitung von Anfang an dafür geworben, Erkenntnisse aus dem Schulversuch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, „um die Sichtbarkeit des Schulversuchs zu erhöhen und Impulse für neue Standorte zu geben“. 

Vertreter:innen des Schulministeriums sagten ihre Teilnahme an der Veranstaltung kurzfristig ab. Sie konnten nicht erleben, wie intensiv und konstruktiv die Teilnehmenden die Veranstaltung zum Austausch über und zur Vernetzung für PRIMUS nutzten

Breite Zustimmung 

Die Forderungen des Bündnisses und die damit verbundene Kritik an der Landespolitik (am Regierungshandeln) im Umgang mit dem Schulversuch fanden eine große Resonanz auf der Veranstaltung. Die Landesregierung sei in der Pflicht darüber aufzuklären, dass es in NRW möglich ist, mit dem gemeinsamen Lernen aller Kinder ohne Selektionsbrüche am Ende der Grundschule den Bildungserfolg für alle zu sichern und ihn weitgehend von der sozialen Herkunft zu entkoppeln. 

Der VorReinhard Stählingtrag zur Konzeption der PRIMUS-Schule von Reinhard Stähling, ehemaliger Leiter der PRIMUS-Schule in Münster, und die uneingeschränkte Zustimmung sorgten für starke Aufbruchstimmung unter den Teilnehmenden. Die Podiumsdiskussion tat das ihre dazu. Dass der Essener Schuldezernent Al Ghusain in seiner Funktion nicht recht mitspielen wollte, obwohl er als Person dem Konzept zustimmen konnte, blieb befremdlich, tat aber der guten Atmosphäre keinen Abbruch. 

PRIMUS müsse in die Breite gehen, forderte dagegen Daniela Schneckenburger, die als Beigeordnete u.a. für Bildung beim Deutschen Städtetag und Städtetag NRW die Interessen der kommunalen Schulträger vertritt. Sie verwies darauf, dass in Ballungszentren, besonders jedoch im ländlichen Raum die PRIMUS-Schule attraktiv ist, um ein gutes Schulangebot zu ermöglichen. 

Die GEW-Vorsitzende in NRW, Ayla Celik, als auch Achim Elvert, stellvertretender Vorsitzender der GGG in NRW, unterstützten in ihren Beiträgen die PRIMUS-Schule und verwiesen auf die größere Chancengleichheit für Schüler:innen durch den weiteren Ausbau integrierter Strukturen mit PRIMUS.

Standorte für PRIMUS-Schulen 

Die Forderungen des NRW- Bündnisses enthalten keine Vorgaben, wo PRIMUS in kommunalen und regionalen Bildungslandschaften verankert werden soll. Hinweise zu Standortfragen gibt allerdings die Wissenschaftliche Begleitung. Sie stellt in ihrem ersten Bericht heraus: „Die Primus-Schulen bieten eine tragfähige schulstrukturelle Option für die ländlichen und kleinstädtischen (Titz, Schalksmühle) bzw. sozialräumlich besonders abgegrenzten Standorte (Viersen, Minden, Münster), wo sie ein vollständiges und erreichbares Schulangebot erhalten.“ Darauf bezog sich auch Daniela Schneckenburger. 

Für die kleine Gemeinde Titz mit ihren 5000 Einwohner:Innen ist die PRIMUS-Schule ein Lottogewinn, weil damit für alle Kinder ein gutes Schulangebote wohnortnah besteht und ihnen das Auspendeln erspart wird. Die PRIMUS-Schule in Münster wirkt in einem Stadtteil, in dem sich die sozialen Probleme und vielfachen Benachteiligungen von Menschen mit Armuts-, Migrations- und Fluchthintergrund konzentrieren. Sie sieht ihre Aufgabe als Schule im Brennpunkt darin, mit solidarischen und inklusiven Lernstrukturen Kinder und Jugendliche in ihrer Lernfähigkeit zu stärken und Bildungserfolge zu sichern (https://bildungsklick.de/schule/detail/was-schule-im-sozialen-brennpunkt-stark-macht). 

Der Diskussion der Teilnehmenden war deutlich zu entnehmen, dass das Strukturmodell von PRIMUS auch ein Lottogewinn für stark segregierte Sozialräume in den Ruhrgebietsstädten darstellt. 

Wege zur Umsetzung 

Wie kann der Ausbau von PRIMUS-Schulen gelingen, wenn von der Landesregierung selbst keine Initiative für eine Entwicklungs- und Ausbauperspektive zu erwarten ist? Wie können kommunale Schulträger davon überzeugt werden, Anträge auf Errichtung einer PRIMUS-Schule zu stellen, die die Landesregierung unter Druck setzen , t, für PRIMUS eine Ausbauperspektive zu schaffen? 

Große Einigkeit bestand darin, die Errichtung von PRIMUS-Schulen über Kooperationsmöglichkeiten zwischen Grund- und Gesamtschulen in nachbarschaftlicher Nähe auszuloten und vorzubereiten. Klein anfangen, Gespräche führen, die eigene Schule für PRIMUS gewinnen und ins Handeln kommen mit anderen Schulen und Akteuren vor Ort, lautete die Devise. 

Ausblick 

Obwohl die schulischen Leistungsergebnisse in NRW im Ländervergleich das Schlusslicht darstellen, will die Bildungspolitik in NRW von der Vielfalt vermeintlich leistungs- und begabungsgerechter Schulformen und der inklusionsfeindlichen Aufteilung von Kindern nach Klasse 4 ebenso wenig grundsätzlich abrücken wie von dem segregierten Förderschulsystem. 

Mit der Forderung, den erfolgreichen PRIMUS-Schulversuch als Regelschule auszubauen, ist aus Sicht des NRW-Bündnisses neben den integrierten Gesamt- und Sekundarschulen ein weiterer wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer Schule für alle eingebracht woUta Kumarrden. Das NRW-Bündnis ist bereit, kommunale Initiativen für PRIMUS zu unterstützen. 

Vor dem Hintergrund, dass seit dem 26. 03. 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention deutsches Recht ist, stellte Uta Kumar, die Sprecherin des NRW-Bündnisses „Eine Schule für alle“ auf der Veranstaltung eindringlich mahnend fest: „NRW ist 15 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention für Deutschland immer noch weit entfernt von einem inklusiven Schulsystem. Es geht um jedes Kind, gute Bildung für alle! Die Aufteilung der Kinder nach der 4. Klasse widerspricht den Menschenrechten. Da müssen wir noch viel deutlicher werden.“

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